Offengestanden: Ehrliche Antworten inspirierender Frauen : II

Geschrieben von Nele Hyner

Interview mit Anna Kaiser (Tandemploy)
Anna Kaiser ist Gründerin und CEO von tandemploy. Was im Jahr 2013 als „Dating-Plattform“ für Job-Sharing Partner*innen begann, ist heute eine vielfach ausgezeichnete Plattform, die Unternehmen fit für die digitale Transformation macht. Beispielsweise indem Kolleg*innen intern für flexible Arbeitsformen vernetzt werden und so das gesamte Potenzial der Mitarbeiter*innen eines Unternehmens als Team ausgeschöpft werden kann. So gelingt es tandemploy die Zukunft der Arbeit neu zu gestalten, veraltete Strukturen zu öffnen und neue Formen des Arbeitens zu finden.

Anna, du führst tandemploy gemeinsam mit deiner Kollegin Jana Tepe, wie gestaltet ihr das Jobsharing bei euch?  Wie kann man sich einen „typischen Arbeitstag“ vorstellen?

Einen „typischen“ Arbeitstag gibt es eigentlich nicht. Wir haben uns nach Kompetenzen aufgeteilt, sodass jede von uns eigene Arbeitsbereiche und Teams hat, mit denen sie intensiver zusammenarbeit. Aber natürlich tauschen wir uns zu den wesentlichen Punkten aus und halten uns auf dem Laufenden, sodass die andere unkompliziert übernehmen kann, wenn eine mal ausfällt oder Urlaub macht. Das ist bei uns im Team grundsätzlich so. Wir arbeiten räumlich und zeitlich maximal flexibel. Umso wichtiger ist es, dass wichtige Informationen zeit- und ortsunabhängig für andere zugänglich sind. Alles, was relevant ist, dokumentieren wir schriftlich, etwa in Slack-Gruppen oder in unserem Projektmanagement-Tool. Daneben gibt es wöchentliche Jour Fixes in unterschiedlichen Team Konstellationen, bei denen wir uns kurz updaten. Und bei den wöchentlichen „Monday Moments“ kommen wir als gesamtes Team zusammen, um Erfolge zu feiern und wichtige Infos mit allen zu teilen.

Was ist euer Ziel? Was wollt ihr mit tandemploy erreichen/verändern?

Wir wollen eine menschlichere Arbeitswelt gestalten. Eine, in der Menschen entlang ihrer Fähigkeiten und Bedürfnisse arbeiten, sich weiterentwickeln und wachsen können. Dass es möglich ist, erleben wir selbst jeden Tag in unserem eigenen Unternehmen und bei vielen anderen tollen Pionier:innen in diesem Feld. Wir haben unzählige Möglichkeiten, das, was wir tun, auch ganz anders zu machen. Technologie kann dabei eine wunderbare Unterstützung sein. Ich denke, wir sind längst
an dem Punkt, an dem wir mit weniger Arbeit mehr erreichen können als noch vor zehn Jahren. Spätestens seit der Corona-Pandemie ist deutlich geworden, dass viele Unternehmen zu rückständig für die schnellen Veränderungen in der Arbeitswelt organisiert sind.

Was sind für dich die wichtigsten Eckpunkte eines zukunftsfähigen Unternehmens?

Da fallen mir auf Anhieb drei Punkte ein:
1. Den Menschen ins Zentrum stellen: Zuhören, was Mitarbeitende bewegt, wie sie arbeiten wollen, was ihnen wichtig ist. Gemeinsam mit ihnen Arbeitsmodelle und Rollen entwickeln.
2. Neue Führungskultur: Weg von starren Hierarchien, in denen Verantwortung nach Jobtitel vergeben wird, hin zu beweglichen Strukturen, in denen alle Verantwortung übernehmen können, die Kompetenz für ein Thema und eine Aufgabe mitbringen.
3. Vernetzt arbeiten: Wissen teilen, von- und miteinander lernen, über Abteilungen und formale Hierarchien hinweg gestützt durch smarte Technologie.

Digital Leadership ist unpersönlich, flache Hierarchien verlangsamen die interne Kommunikation, Jobsharing führt zu unklaren Aufgabenbereichen – Wie begegnest du solcher Kritik an der Transformation der Arbeitswelt?

Mit tollen Gegenbeispielen, die zeigen, dass es so nicht ist. Digital Leadership basiert vor allem auf einer kulturellen Veränderung, in der Führungskräfte sogar viel näher an ihren Mitarbeitenden dran sind, allerdings nicht, um sie zu kontrollieren, sondern um sie zu bestärken und zu begleiten, wie ein Coach oder eine Mentorin. Der Punkt zu den Hierarchien deckt sich auch überhaupt nicht mit meinen Erfahrungen. Im Gegenteil: Je hierarchischer eine Organisation, desto länger ziehen sich
Kommunikations- und Entscheidungsprozesse in die Länge. Je mehr Entscheidungsfreiheit einzelne Mitarbeitende haben, desto kürzer die Abstimmungswege. Und unklare Aufgabenbereiche haben ihre Ursache nicht im Modell Jobsharing, sondern zeugen von mangelnder Kommunikation. Gut miteinander zu kommunizieren ist essentiell, um Neues Arbeiten so umzusetzen, dass es positive Effekte für alle Seiten hat.

Vor Kurzem habt ihr mit eurem All Female Deal für Schlagzeilen gesorgt: Ihr seid das erste deutsche Tech-Start Up unter weiblicher Führung, das einen Deal dieser Dimension mit ausschließlich weiblichen Investorinnen eingegangen ist – ein starkes Zeichen in der männlich dominierten Gründungsszene! Worin liegt deiner Meinung nach die männliche Dominanz in dieser Szene begründet? Und was kann noch dagegen getan werden?

In der Gründerszene wirken dieselben Effekte und Mechanismen wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen auch. Männer haben eben seit 2000 Jahren das Sagen. Diese Strukturen bröckeln erst langsam. Noch immer fließt der Großteil der Investorengelder in männlich geführte Start-ups. Auch werden Frauen bei Investorengesprächen ganz anders und schlechter bewertet als männliche Gründer. Hier wirken tatsächlich noch diese uralten Vorurteile und Klischees, auch wenn man gerade im Start-up-Bereich etwas anderes erwarten würde. Eine Ursache liegt sicher darin, dass der Großteil der Investoren Männer sind, die dazu tendieren, ihresgleichen zu fördern. Auch hier kommt erst langsam Bewegung rein. Unser #AllFemale Deal soll ein Zeichen setzen, dass in der Gründer:innenszene alles für alle möglich sein muss, nur so können wir wirklich innovativ sein und eine lebenswerte Zukunft für alle Menschen gestalten. Daneben brauchen wir mehr Frauen, die
investieren, so wie unsere fünf neuen Investorinnen es tun. Ein weiterer Hebel sind Reportings von VC Funds zu Female Investments, um hier mehr Transparenz zu schaffen und einen Anreiz, bewusst Frauengründungen zu fördern. Öffentliche Fördergelder wiederum könnten zu einem festen Prozentsatz ausschließlich an weiblich geführte Start-ups gehen. Daneben sind aber auch Gründer selbst in der Verantwortung, Frauen gezielt auf Führungspositionen zu holen, wenn sie wachsen. Und nicht zuletzt brauchen wir ein Update der politischen Rahmenbedingungen, etwa eine bessere Absicherung von Frauen bei der Familiengründung.

Welchen Tipp würdest du jungen Gründerinnen (Frauen) geben, um in der Startup-Welt Fuß zu fassen?

Meine Mitgründerin Jana und ich sagen immer: If you can think it, you can do it. Wenn junge Frauen eine Idee haben, an die sie glauben, sollten sie einfach loslegen und ausprobieren, wohin es sie führt. Vieles geht leichter, wenn man sich nicht allein auf den Weg macht, sondern zu zweit gründet. Es lohnt sich daher, von Beginn an in entsprechende Netzwerke zu gehen und sich mit Menschen zu umgeben, die ein ähnliches Mindset haben, aber vielleicht ganz andere Talente als man selbst.

Und zum Schluss noch ein bisschen Raum zum Träumen: Wie sieht für dich die perfekte Zukunft der Arbeit aus?

In meiner perfekten Arbeitswelt sind alle Menschen auf ihre Weise Unternehmer:innen. Unternehmer:innen ihres eigenen Lebens, die sich die Probleme unserer Zeit zu eigen machen – ob Klimawandel, veraltetes Bildungssystem oder Integration, und zwar ohne permanent den Markt zu befragen, was es sich „lohnt zu tun“. Ich wünsche mir ein Unternehmer:innentum, das die Welt als Einfluss- und Gestaltungsraum begreift und nicht als reinen Absatzmarkt, in dem es immer nur ums Höher schneller-weiter geht. Unternehmer:innentum, bei dem am Ende lieber eine schwarze Null steht statt Milliardengewinne, die auf ausgebrannten Mitarbeitenden und einer verschmutzten Umwelt aufbauen. Die Möglichkeiten, eine solche Zukunft zu schaffen, sind längst da. Und wie gesagt: If we can think it, we can do it!

 

Nele Hyner
Nele Hyner

Social Media Managerin und Studentin der Psychologie

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