Offengestanden: Ehrliche Antworten inspirierender Frauen

Geschrieben von Nele Hyner

Interview mit Andrea Flügel
In unserer Rubrik „Offengestanden – Ehrliche Antworten inspirierender Frauen“ veröffentlichen wir jeden Monat ein Interview mit einer Frau, die uns beeindruck

Andrea Flügel hat mit ihrer Position als Development Managerin bei dem IT-Konzern SAP eine steile Karriere hingelegt. Darüber hinaus ist sie Mutter von zwei Kindern (11 und 12 Jahre) und somit eine wahre Künstlerin des Multi-Taskings. Für nextexitfuture hat sie sich Zeit genommen, um ein paar Fragen zu beantworten.

Andrea, auf deinem LinkedIn Profil schreibst du, dass du optimistisch bist und auch unter Druck deinen Sinn für Humor behältst. Dieser wird momentan durch die Covid-19 Pandemie als Mutter von zwei Kindern im Home-Office sicher auf die Probe gestellt. Wie sieht dein Alltag mit Arbeit und Home Schooling aus?

Also momentan sind natürlich beide Kinder zu Hause im Home Schooling. Ich lege aber trotzdem großen Wert darauf, mir morgens zwischen sechs und halb acht intensiv Zeit für mich zu nehmen. Ich gehe eine Runde joggen und meine Große macht in der Zeit Frühstück. Im Anschluss sorge ich dafür, dass um acht, wenn die erste Home Schooling Einheit beginnt, beide fertig sind. Sobald das geschafft ist, fange auch ich an zu arbeiten. Gegen Mittag kommt dann meine persönliche Tages-Challenge: Mittagessen für alle auf den Tisch zu bringen. Wenn meine Kinder gleichzeitig Mittagspause haben, geht das noch. Es kommt aber auch vor, dass sie zu ganz unterschiedlichen Zeiten mit Mittagessen versorgt werden müssen. Die Flexibilität, die da manchmal von Eltern gefordert ist, ist schon sehr hoch. Um das zu vereinfachen haben wir einen Essens-Wochenplan eingeführt, damit wir den Überblick haben, wann es was zu essen gibt und ich nicht mittags noch spontan einkaufen muss, weil irgendetwas fehlt. Nachmittags bei schönem Wetter schicke ich die beiden an die frische Luft, oft auf den Golfplatz.  Bei schlechtem Wetter wird es dann schwierig, denn die Kinder müssen ja auch irgendwo ihre überschüssige Energie rauslassen, die sie jetzt umso mehr haben, weil sie so viel vor dem Computer sitzen. Das ist momentan definitiv eine Herausforderung!

Hattest du schon einmal das Gefühl, dass deine Karriere unter deinem Geschlecht bzw. deinem Muttersein gelitten hat? Musstest du dir manchmal Vorwürfe anhören bezüglich deiner Prioritätensetzung?

Also ganz am Anfang habe ich da schon ein bisschen mit gehadert. Nachdem meine Tochter auf die Welt gekommen war, ist mir nach acht Monaten Zuhause die Decke auf den Kopf gefallen. Ich musste unbedingt wieder unter Menschen, die nicht nur Mütter mit Kindern im gleichen Alter waren. Menschen, mit denen ich mal wieder über etwas anderes als erste Worte und Windeln reden konnte. Dann bin ich zurück in meinen Job und war kurz danach wieder schwanger. Als ich aus der zweiten Elternzeit zurückkam, hatte ich zuerst keine richtige Aufgabe in meinem Team und hatte das Gefühl, im Büro nur meine Stunden abzusitzen. Da habe ich schon viel gezweifelt und gemerkt, dass das für mich so nicht passt. Aber zum Glück dreht sich die Erde ja weiter und es gab einige Veränderungen in meinem beruflichen Umfeld, sodass ich mich wieder wohler gefühlt habe. Grundsätzlich gab es trotzdem manchmal das Problem, dass einige meiner Mitarbeitenden nicht so viel Verständnis dafür hatten, dass es feste Zeiten gab, an denen ich gehen musste. Da hieß es halt, dass ich das Büro um 16.30 Uhr verlassen muss, um bis 17.00 Uhr in der Kita die Kinder abzuholen – und da führt kein Weg dran vorbei! Meistens findet sich immer irgendwie eine Lösung. Ich musste allerdings schon die Erfahrung machen, dass es auch Manager gibt, die kaum Verständnis für eine gewisse Inflexibilität aufgrund von Kindern zeigen. Deshalb habe ich bewusst häufig Manager gewählt habe, die selbst Kinder hatten, weil die einfach ein ganz anderes Verständnis mitbringen.

Und natürlich beeinflusst das Muttersein auch das Gehalt. Anfangs habe ich Teilzeit gearbeitet und da sind Gehaltserhöhungen oder Beförderungen seltener. Der Manager*in ist hier ein wichtiger Faktor: wird anerkannt, dass man in den sechs Stunden, die man da ist, genauso viel schafft, wie andere vielleicht in acht oder zehn Stunden. Jemand der dann auch bereit ist, trotzdem zu sagen „Ich glaube an dich und ich weiß, dass du das kannst und deshalb fördere ich dich auch weiterhin“. Das ist noch keine Selbstverständlichkeit.

Ich wurde nie offen kritisiert in der Firma, aber natürlich merkt man den Unterschied in der Karriere zu Frauen, die beispielsweise fünf Jahre später erst Kinder bekommen haben. Und dann fragt man sich natürlich, ob man das wieder aufholen kann. Aktuell zurückblickend würde ich sagen, JA das geht, aber es gehört ein ganzes Stück Arbeit dazu und auch, dass man weiß, was man will. Ich bereue unter keinen Umständen, so früh Kinder bekommen zu haben, aber ich kann auch sagen, dass das im Job nicht immer einfach war.

Hast du Tipps für Frauen, die wie du, sich nicht zwischen Familie und Karriere entscheiden wollen?

Lacht – da gibt es eine ganze Reihe:
Als erstes die persönliche Einstellung: Wenn ich selbst davon überzeugt bin, dass etwas für mich das Beste ist, ist es auch immer für die Kinder das Beste. Wenn es der Mutter gut geht, geht es den Kindern auch gut. Das strahlt man einfach aus.
Der zweite sehr wichtig Tipp: Zieht klare Grenzen zwischen dem Privaten und eurem Job. Das tue ich auch heute noch, wo die Kinder größer sind.
Und natürlich als dritter Rat: Nimm dir Zeit für dich und kümmere dich um dich selbst. Sei es Sport, Lesen oder zu überlegen, was die eigenen Ziele sind. Diese eigene Zeit ist sehr wichtig. Und wenn man diese direkt morgens einbaut, dann startet man positiv und fokussiert in den Tag.
Was ich auch gelernt habe, ist, wie wichtig eine offene und ehrliche Kommunikation mit den Kindern und Partner ist. Dass ich zum Beispiel auch mal sagen kann, wenn ich eine kleine Pause brauche oder Unterstützung bei einer Aufgabe. In diesem Zusammenhang tut es mir gut, dass ich nicht das Gefühl habe, mit dem Haushalt allein da zu stehen: bei uns gibt es schon seit einigen Jahren einen Haushaltsplan, damit das nicht alles an mir hängen bleibt, sondern jeder mit anpackt. Dafür ist eine offene und klare Artikulation der eigenen Wünsche und Bedürfnisse wichtig. Es reicht nicht zu hoffen, dass etwas besser wird – man muss schon aktiv etwas dafür tun.

Wie sieht für dich die perfekte Zukunft der Arbeit aus?

Ich persönlich habe in der derzeitigen Situation gemerkt, dass ich nicht wieder zu 100% zurück ins Büro möchte. Ich habe die Vorteile des Home-Office sehr zu schätzen gelernt. Ich könnte mir gut vorstellen, zwei bis drei Tage pro Woche im Büro zu arbeiten, für die sozialen Kontakte, den Austausch, die Kreativität – weil das sehr wichtig ist. Aber den Rest würde ich dann tatsächlich gerne aus dem Home-Office arbeiten.

Für das virtuelle Arbeiten hat die SAP sehr viel getan: zum Beispiel ein wichtiger Ansatz, keine Meetings mehr zu planen, die direkt aneinander angrenzen, sondern stattdessen ein paar kleine natürliche Pausen dazwischen einzubauen – im Büro ist man ja auch zwischen den Terminen hin und her gelaufen. Außerdem die Möglichkeit zu haben, sich selbst mal im Kalender zwei bis drei Stunden zu blocken, um einfach fokussiert an einem Projekt zu arbeiten, das halte ich für super wichtig.

Generell würde ich mir wünschen, dass wir nach der Pandemie zu einer Mischung aus Präsenz und Home-Office übergehen werden, um einen besseren Fokus auf die Arbeit und einen natürlichen Lebensrhythmus zu ermöglichen.

Vielen Dank, Andrea!

Nele Hyner
Nele Hyner

Social Media Managerin und Studentin der Psychologie

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